Malerische Provence: der Mont Ventoux

Der Riese der Provence

Wer im Vaucluse, dem westlichen Teil der Provence, unterwegs ist, erhascht immer wieder einen Blick auf den unverkennbaren Gipfel des Mont Ventoux. Kegelförmig und schneeweiß ragt er dort über die umliegenden Berge der provenzalischen Voralpen heraus, was ihm den Beinamen „Riese der Provence“ eingebracht hat. Der spektakuläre Ventoux befindet sich im nördlichsten und höchsten Teil eines Kalksteinplateaus und bildet die Klimagrenze zwischen Mittelmeerklima und gemäßigtem Klima. Von der Nordseite aus ist der Anstieg über die Felswände deutlich beschwerlicher, während als von der etwas gemäßigter ansteigenden Südseite. Für geologisch Interessierte hier noch der Hinweis, dass der Mont Ventoux aus Kalkstein der Unterkreidezeit besteht. Dieses Material bewirkt, dass der Gipfel aus der Ferne ganzjährig so wirkt, als sei er mit Schnee bedeckt. Was natürlich nicht der Fall ist. Er liegt 45 Kilometer nordöstlich von Avignon und 100 Kilometer nördlich von Marseille.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts befindet sich auf dem Gipfel eine meteorologische Beobachtungsstation. Später kamen diverse Sendeanlagen hinzu.


Windumbraust

Ausflüglern am Ventoux kann es durchaus passieren, dass sie beim Aussteigen aus dem Bus auch im Hochsommer den Eindruck bekommen, sie seien wieder im Winter gelandet. Auf dem Gipfel weht – laut Statistik – an mehr als 240 Tagen im Jahr eine extrem kräftige Brise. Nicht selten mit Geschwindigkeiten von über 90 km/h und überaus frischen Temperaturen.

Es ist nicht verwunderlich, dass sich der Name des Mont Ventoux  von der Bezeichnung „Mons Ventosus“, windiger Berg, ableiten soll. Schon zur Zeit der Kelten wurde er als heiliger Berg verehrt und der Dichter Petrarca erwähnte ihn im 14. Jahrhundert in einem seiner Briefe. Damals sah der Ventoux aber noch ganz anders aus. Die heute in der Gipfelregion anzutreffende Mondlandschaft entstand erst vor der französischen Revolution. Damals holzte man die Wälder gnadenlos ab, um genügend Baumaterial für die französische Schiffsflotte aber auch für den Bau von Gebäuden oder als Heizmaterial zu haben.


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Einzigartige Natur

Schon lange werden die Hänge des Mont Ventoux erfolgreich mit verschiedenen Nadel-, Öl- und Laubbäumen wieder aufgeforstet. Reste der ursprünglichen Vegetation werden intensiv gepflegt und der Berg in den 1990er Jahren zum Biosphärenreservat der UNESCO erklärt. Damit will man diese einzigartige Klima- und Vegetationszone besser schützen. Ihre Besonderheit besteht darin, dass dort über 100 Vogelarten und rund 1.200 Pflanzen aus sämtlichen in Europa vorkommenden Klima- und Vegetationszonen anzutreffen sind. Das unglaublich vielseitige und einzigartige Spektrum reicht von der Mittelmeerflora in den tieferen Regionen bis zu arktischen Pflanzen im Gipfelbereich. Von ganz oben soll die Sicht an klaren Tagen bis ans Mittelmeer und ins Rhônetal reichen.


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Wanderfreuden

Entlang des Mont Ventoux und der benachbarten Gipfel findet man ein dichtes Netz herrlicher Wanderwege vor. Fast alle Geschicklichkeits- und Fitnessgrade können die Gegend zu Fuß erkunden und – je nach Geschmack – Höhenmeter oder schöne Impressionen sammeln. Die Geschäfte in den umliegenden Gemeinden und sogar die Supermärkte bieten ausführliche Wanderkarten an. Für kleinere Touren reichen die weniger detaillierten Karten der Verkehrsämter aus. Dort kann man Ihnen oft auch Tipps zur Routenplanung oder zu besonders schönen Aussichtspunkten geben. Wir haben einen malerischen Weg entlang des Mont Sérein ausprobiert und sind bei sommerlicher Hitze entspannt durch kühle Mischwälder gewandert. Viele Informationstafeln zu Flora und Fauna sowie immer neue, spektakuläre Ausblicke auf den Mont Ventoux sorgten auch bei den jüngeren Wanderfreunden für genügend Abwechslung. Uns hat besonders fasziniert, dass der Gipfel des „Riesen der Provence“ alle paar Minuten durch das Wechselspiel von Wind und Wolken sein Aussehen veränderte.



Radsport der Superlative

Am Ventoux trifft man nicht nur auf klimatische und geologische Rekorde. Sein größter Glanz rankt sich im Kreise der Radsportbegeisterten natürlich um die Auffahrt auf den Gipfel – berühmt und berüchtigt seit 1951 durch die Tour de France. Obwohl die Etappe auf den „Riesen der Provence“ erst 15 Mal auf dem Programm des berühmtesten Radrennens der Welt stand, genießt sie einen legendären Ruf. Zusammen mit drei anderen Gipfeln zählt er zu den „heiligen Bergen“ der Rundfahrt und ihrer Fans. Diesen Ruf erhielt der Ventoux nicht nur durch die enorme Steigung bei der Auffahrt (von Bédoin aus müssen die Fahrer über 1.600 Höhenmeter auf einer Strecke von 21 Kilometern erklimmen), sondern auch wegen der extremen Witterung im Gipfelbereich. Die Radprofis werden auf der ungeschützten Kuppe nach einem qualvollen Aufstieg nicht selten mit sengender Sonne oder eiskaltem, stürmischem Wind begrüßt. Viele Amateurradler aus aller Welt eifern ihnen das ganze Jahr über kräftig nach. In unserem Feriendorf schwärmen uns so viele Radbegeisterte (vor allem aus Frankreich und Belgien) von ihrer Fahrt auf den Ventoux vor, dass wir uns unbedingt selbst ein Bild von der Strecke machen wollten. Wir gestehen allerdings, dass wir aufgrund mangelnder Kondition mit dem Auto nach oben fuhren.


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Gipfelfreude für Bequeme

Längs der Straße hinauf zum Gipfel zieht sich auch unter der Woche eine schier endlose Kolonne von Radfahrern dahin. Sogar noch in der Mittagshitze machen sich viele auf den Weg. Autofahrer haben es zwar bequemer, müssen aber höllisch auf die Überholmanöver der vielen Zweiräder und den Gegenverkehr aufpassen.

Entlang der Auffahrtsstraße gibt es immer wieder Haltemöglichkeiten, die grandiose Aussichten in die umliegende Landschaft bieten. Wer nicht schwindelfrei ist, sollte eventuell nicht ganz nach vorn ans Geländer gehen. Auch die Wahl des Sitzplatzes im Auto will gut überlegt sein, denn der sich immer wieder auftuende Blick in den Abgrund lässt auch robustere Naturen mitunter erblassen.


Auf den Spuren der Tour de France

Nach endlosen Serpentinen und Haarnadelkurven erreichen die Radfahrer glücklich den höchsten Punkt des Mont Ventoux und werden dort von professionellen Fotografen im Moment ihres größten sportlichen Triumphs abgelichtet. Die Fotos können sie später gegen Gebühr käuflich erwerben. Eine Investition, die sich lohnt, falls man keine Angehörigen in Wartepostition auf dem Gipfel platziert hat, die im entscheidenden Moment auf den Auslöser drücken. Ein solches Erlebnis hat man schließlich nicht oft im Leben.

Nicht ganz ungefährlich ist nach der Gipfelfreude die rasante Abfahrt über die kurvenreiche Straße ins Tal. Man erzählte uns, dass die Rettungskräfte zu besonders frequentierten Zeiten häufig zum Mont Ventoux ausrücken müssen. Entweder um gestürzte Radfahrer ins Krankenhaus zu transportieren oder um jene zu versorgen, die sich körperlich komplett übernommen haben. Auch das spezielle Klima sollte man keinesfalls unterschätzen. Es ist auf dem Ventoux nicht immer nur heiß und sonnig – auch das andere Extrem ist möglich. Unsere Wohnungsnachbarn in der Ferienanlage schworen uns, dass es auf dem Gipfel geschneit habe, als sie mit ihren Rennrädern an einem regnerischen Tag Anfang Juni die Strecke nach oben gemeistert hatten. Sie hatten nur ein Wochenende Zeit und wollten sich ihren persönlichen sportlichen Rekord nicht durch die tief bis nach Malaucène hängenden schwarzen Wolken nehmen lassen. Im Nachhinein und nach der rutschigen Abfahrt ins Tag fanden sie sich selbst ein wenig verrückt.

À propos „verrückt“: Zum Abschluß haben wir noch ein Superlativ zum Thema Radsport am Ventoux parat. Wer es fertigbringt, den Gipfel innerhalb eines Tages auf allen der drei möglichen Routen per Vélo zu erklimmen, darf sich zu einem exklusiven Club zählen, der den selbstironischen Namen „Les Cinglés du Ventoux“ trägt. („Cinglé“ bedeutet zu Deutsch „bescheuert“ oder „verrückt“). Über 19.000 Radsportler haben dieses Kriterium seit 1988 erfüllt und durften sich in die Bestenliste dieser selbsternannten „Brüderschaft“ eintragen lassen. Wer sich dafür interessiert, kann sich hier schon vorab mit den Bedingungen vertraut machen.


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Fotos: Barbara Gruber-Stahl
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